Wer für Marokko unter König Mohammed VI. eine Entwicklung zur Demokratie wie im Spanien von Juan Carlos erwartete, ist enttäuscht worden. Zehn Jahre nachdem der König in Rabat den Thron bestieg, wird das Land noch immer von ihm, und nur von ihm regiert. Seine Person ist laut Verfassung "heilig".
Die Regierung hat wenig zu sagen, das Parlament ist ein Ratifizierungsapparat. Die jüngsten Gemeindewahlen gewann die Partei für Echtheit und Modernität, die der Freund des Königs, Fuad Ali al-Himma, erst vor einem Jahr gegründet hat. Beim Volk heißt sie Partei des Königs.
Das Glas der Reformen ist halb voll oder halb leer. Die "bleiernen Jahre" der brutalen Unterdrückung jeder Opposition unter seinem Vater Hassan II. suchte Mohammed hinter sich zu lassen. Zehntausend Opfer von Folter und Kerker wurden mit 75 Millionen Euro entschädigt. Aber die Namen ihrer Peiniger durften nicht erwähnt werden, und keiner von ihnen wurde belangt. Nach den blutigen Anschlägen des Jahres 2003 in Casablanca wurden etwa 20 000 Menschen im Umkreis der Täter verhaftet und 10 000 verurteilt, unter ihnen Freunde, Nahestehende und Kollegen der unmittelbar Verdächtigen. "Man hat mit breitem Besen gekehrt wie in den schlimmsten Zeiten von Hassan", heißt es bei der marokkanischen Menschenrechtsorganisation.
Wirtschaftlich macht das Land erkennbar Fortschritte. Ein neuer Hafen in Tanger, der Ausbau der Autobahnen, fünf Prozent Wachstum im Jahr stehen auf der positiven Seite. Doch die Verteilung der Reichtümer ist ungleich geblieben. Ein großer Teil der Unternehmen gehört nach wie vor direkt oder indirekt dem Hof. Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt das Privatvermögen des Monarchen auf zwei Milliarden Euro. Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetentum haben sich kaum vermindert. Auch die Korruption blüht weiterhin. Ein neues Familiengesetz, das der König gegen den Widerstand der Islamisten durchsetzte, gesteht den Frauen nahezu gleiche Rechte zu. Scheidung und Mehrfachehe wurden erschwert. Bei der Verwirklichung ergeben sich freilich Schwierigkeiten.
Mohammeds Heirat mit der Informatikerin Lalla Salma wurde öffentlich mit Prunk gefeiert. Er machte sie indessen nicht zur Königin, da dies der Tradition widersprochen hätte. Vor sechs Jahren kam Kronprinz Moulay Hassan zur Welt, im vorletzten Jahr die Tochter Lalla Khadidja. Der 46-jährige König liebt Designeranzüge, Rockmusik und Sport. Dass er gern Jetski fährt, hat ihm den Spitznamen "Ma-jet-ski" eingetragen.
Diskretion geht ihm aber gewöhnlich über alles. Seit vier Jahren gibt es keinen Palastsprecher mehr. Auch auf einen Kommunikationsberater kann Mohammed VI. verzichten, denn in zehn Jahren gab er nur sieben Interviews und keine einzige Pressekonferenz. Selbst ausländische Staatsoberhäupter, die privat nach Marokko kommen, werden nicht mehr unbedingt im Palast empfangen. Auf seinen Auslandsreisen tritt der Monarch, so weit es geht, inkognito auf. Er hält sich zugute, dass die große Mehrzahl seiner Untertanen trotz allem es nicht vorziehen würde, in Algerien, Tunesien oder Libyen zu leben.
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